Gesprächsleitfaden für Stammesleitungen


Für ein Gespräch mit Amtsträger*innen im Stamm über den Verhaltenskodex

Über sexualisierte Gewalt reden ist manchmal gar nicht so einfach. Über Sexualität, Macht, Ängste und Emotionen reden auch nicht. Trotzdem sollten wir uns wagen, in unseren Gruppen damit anzufangen und nicht aufzuhören. Manchmal ist ein Gespräch der Anfang zu einem wertschätzenden und vertrauensvollen Umgang. Mit diesem Leitfaden möchte dich der Arbeitskreis intakt unterstützen solch ein Gespräch zu führen. Bestimmt können wir nicht all deine Fragen damit klären, deshalb melde dich gerne bei uns, wenn du nicht weiterweißt: intakt@sachsen.pfadfinden.de

Das Ziel:

Am Ende soll die Person dir gegenüber den Verhaltenskodex unterschreiben und verstehen, warum sie als Amtsträger*in eine besondere Verantwortung trägt. Außerdem sollst du dir sicher sein, dass die Person die gemeinsamen Werte des Landesverbandes vertritt.

Warum?

Ein Verhaltenskodex ist ein Schritt in die Richtung gegen Übergriffe und grenzverletzendes Verhalten. Darauf können und müssen wir alle achten, vor allem ist es gut zu wissen, dass wir alle einer Meinung sind. Klar kommunizierte Regeln helfen auch unsicheren Personen sich zu positionieren. Das Gespräch ist dafür da, dass es auch wirklich ankommt und die Personen in deinem Stamm den Kodex wirklich einmal gelesen haben.

Eigene Unsicherheiten:

Manchmal hemmen uns eigene Unsicherheiten das zu tun, was wir wollen. Damit dieses Gespräch nicht auch eine Aufgabe wird, die du immer weiter vor dir herschiebst, ist es wichtig, dass du dich mit diesen Unsicherheiten auseinander setzt. Erstmal: Das ist ganz normal! Du bist bestimmt nicht die einzige StaLei die sich zum ersten Mal mit diesem Thema auseinandersetzen muss. Deswegen hier ein paar Tipps:

  1. Lese den kompletten Verhaltenskodex vorher durch. Versuche zu verstehen, was dort steht und was gemeint ist. Markiere dir Stellen, die du nicht so gut / so schnell verstehst und sprich mit jemanden darüber.
  2. Schreib uns als Arbeitskreis intakt. Wir können mit dir einfach über das Thema sprechen und offene Fragen beantworten. Vielleicht ist es auch gut von uns nochmal persönlich zu hören, dass das alles kein Hexenwerk ist.
  3. Sprich dich nochmal mit den anderen in deiner StaLei ab. Bist du die richtige Person für diese Aufgabe? Wenn du dir zu viele Sorgen drüber machst, dann frag eine Person, ob sie es mit dir zusammen macht oder die Aufgabe übernehmen kann.
  4. Ihr seid alle noch sehr jung oder fühlt euch nicht bereit? Manchmal gibt es Momente, in denen ist keiner bereit für so ein Gespräch. Das kann sein, wenn du dich gerade selbst sehr mit deiner eigenen Sexualität beschäftigst und nicht genau weißt, wer du eigentlich bist; wenn es dir nicht gut geht; wenn du selbst oder Personen in deinem Umfeld sexualisierte Gewalt erlebt haben; du in einer Beziehung mit der Person bist, … Wenn es dir/euch so geht, dann meldet euch beim Arbeitskreis. Wir kommen gerne vorbei und führen das Gespräch für euch. Genauso können wir auch ein Gespräch mit dem ganzen Stammesrat führen, wenn mehrere Personen den Kodex unterschreiben sollten.

Das Gespräch:

Einstieg finden

Der Einstieg ist immer wichtig. Die Stimmung vom Anfang bestimmt manchmal das ganze Gespräch. Es kann helfen, nicht zu förmlich an die ganze Sache ranzugehen. Das Ganze soll kein Vortrag oder Belehrung werden, sondern ein Gespräch im wahrsten Sinne des Wortes. Frage doch einfach, ob die Person den Kodex schon mal gelesen hat; ob sie den Arbeitskreis Intakt kennt oder wie die Vorbereitungen für die erste Sippenstunde gerade laufen. Du kannst nochmal einen Small Talk Schlenker machen oder du bleibst direkt beim Thema, das, was dir mehr liegt, ist für das Gespräch genau richtig.

Hauptsache

Die Hauptsache ist, ihr lest euch den Verhaltenskodex einmal gemeinsam durch. Am besten laut, dann bleibt ihr beide bei der Sache. Ihr könnt euch auch immer abwechseln. Klärt Fragen, die auftauchen, am besten gleich, dann könnt ihr sie nicht vergessen. Vielleicht fallen dir im Gespräch auch neue Formulierungen auf?

Manche Gespräche sind schwieriger als andere. Hier haben wir noch spezifische Tipps für besondere Gesprächssituationen.

Wenn Gelbe Stufe, dann …

Deine Meutenführungen tragen nochmal eine ganz besondere Verantwortung. Sie kümmern sich wöchentlich um die Kleinsten in unserem Bund. Schon früh lernen Kinder, ob ihre Grenzen gewahrt werden oder nicht. Mache der MeuFü bewusst, dass jüngere Kinder dabei noch viel Führung brauchen. Vergiss aber nicht die Wertschätzung, deine baldige Meutenführung macht bestimmt einen großartigen Job.

Wenn Blaue Stufe, dann …

Die blaue Stufe birgt viele Risikobereiche, in denen es vielleicht auch für deine Sippenführung schwer wird zu entscheiden, ob das, was in ihrer Sippe passiert, in Ordnung ist oder nicht. Sipplinge verlieben sich das erste Mal, suchen vermehrt Körperkontakt, alle schlafen zusammen eng in einer Kothe auf Fahrt, die ganze Sippe schwärmt für einen RR aus einem anderen Stamm, … Sprich gerne mit der SiFü über solche Situationen und wie der Verhaltenskodex helfen kann, solche Momente zu bewerten. Ermutige die SiFü auch gerne mit dir darüber zu sprechen, zum Beispiel wenn sich die SiFüs einer Sippe nicht einig sind.

Wenn Rote Stufe, dann …

In der roten Stufe kann es schnell passieren, dass die Altersunterschiede in der Stufe nicht mehr so deutlich sind. Gerade eine Stufenleitung kann da ein Auge in eurem Stamm draufhaben. Altersspezifisches Programm heißt dann manchmal auch, dass es nicht für die ganze RR-Stufe geeignet ist. Die RRs sind Menschen ab 16 Jahren. Auf die rechtlichen Grundsätze für über 18 und unter 18-Jährige sollte stets geachtet werden (z.B. Filmen, Drogen, Themen in Gesprächen). Du kannst deine Stufenführung bitten, da achtsam zu bleiben und niemanden zu überfordern und Grenzen durch unpassendes Programm zu überschreiten. Außerdem kann in dieser Stufe gut sexualpädagogisches Programm angeboten werden. Sprecht doch z.B. auch über Beziehung bei den Pfadfindern. Vielleicht ist die Person schon selbst in einer Beziehung?

Wenn viel jünger als du, dann …

Ist die Person, mit der du das Gespräch führst, viel jünger als du, ist das auch eine besondere Situation. Grundsätzlich kannst du verschiedene Annahmen treffen, du solltest aber grundsätzlich achtsam im Gespräch sein. Diese Annahmen müssen nicht zutreffen! Annahmen könnten sein:

  • Die Person hat sich mit dem Thema noch sehr wenig bis gar nicht auseinander gesetzt. Grundsätzlich über Sexualität sprechen ist der Person unangenehm und wird z.B. „weggekichert“
  • Die Person nimmt dich als Autoritätsperson war und traut sich nicht offen und ehrlich mit dir zu sprechen. Außerdem musst du beachten, dass sie evtl. schnell von dir eingeschüchtert sein könnte. Allem was du sagst, wird ein großer Wert beigemessen.
  • Achte gerade hier auch auf den Geschlechterunterschied und sonstige Verhältnisse und Bezüge (z.B. auch verwandt, Freundin von kleiner Schwester, …)

Wenn viel älter als du, dann …

Diese Situation ist wie oben nur umgekehrt. Du kannst in der Vorbereitung dir zuerst überlegen, ob eine der dort aufgeführten Annahmen auf dich im Gespräch mit der älteren Person zutrifft. Somit kannst du dich besser verstehen und vorbereitet in das Gespräch führen. Wenn es dir unangenehm ist, dann bitte jemand anderen dieses Gespräch zu führen! Sonstige Annahmen:

  • Die ältere Person nimmt dich nicht ernst in deiner Rolle als StaLei. Helfen könnte dann, wenn du ihr klar machst, dass du dich nicht über sie stellen möchtest oder ihr etwas erklären, sondern ein Gespräch auf Augenhöhe führen.
  • Die Person meint, sie braucht das nicht. Hier ist es wichtig nochmal genauer zu erklären, warum dem Landesverband und dir es so wichtig ist, dass mit allen Amtsträger*innen diese Gespräche geführt werden.

Wenn wiederholtes Gespräch, dann …

Die Person dir gegenüber beginnt nun ihr drittes Amt im Stamm? (z.B. Erst MeuAssi, SiFü, RR-Sprecher*in) Kein Problem! Geh mit der Person den Kodex durch und reflektiere mit ihr zusammen, was sie davon schon verinnerlicht hat; was vielleicht immer noch schwer ist in jeder Situation dran zu denken (z.B. Fotos in peinlichen Situationen). Außerdem könnt ihr auch darüber sprechen, ob andere Präventionsmaßnahmen schon mal umgesetzt wurden und wie das geklappt hat für die Person. In jedem Falle ist es sinnvoll dieses Gespräch zu führen!


Am Ende

Zum Abschluss solltest du sicher gehen, dass alle Fragen geklärt wurden, die aufkamen. Außerdem kannst du selbst noch Fragen stellen.

  • Wie kann ich dich als StaFü unterstützen?
  • Welche Regel willst du dir besonders mitnehmen?

Mit einem Hinweis auf den Arbeitskreis intakt, wie er zu erreichen ist und wer sich im Stamm mit diesem Thema beschäftigt, kannst du das Gespräch zu einem Ende bringen. So ist deine Gruppenführung gut ausgestattet, um sich selbstständig weiter zu informieren. Vielleicht hast du auch noch eine Broschüre vom Bundesarbeitskreis Intakt zur Hand.


Danke, dass du dich für die Sicherheit unserer Mitglieder und die Grundsätze unseres Landesverbandes einsetzt!


Der Arbeitskreis Intakt

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